Kampf gegen Judenhass "Zeigt sich erneut, dass Faeser die Gefahr des radikalen Islamismus nicht ernst genug nimmt"

Von Nikolaus Doll
Ressort Politik

Stand: 25.10.2023 | Lesedauer: 4 Minuten

Die Regierung hat ein Betätigungsverbot für die Hamas und ein Verbot des Terrorhelfer-Netzwerks Samidoun angekündigt. Passiert ist seitdem: nichts. Die Union macht Faeser (SPD) deshalb angesichts des Judenhasses auf deutschen Straßen schwere Vorwürfe. Auch die FDP hadert mit der Innenministerin.

Kanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD), im Hintergrund eine Anti-Israel-Demo in Frankfurt am Main
Quelle: picture alliance/dpa; Montage: Infografik WELT

Ein Verbot des palästinensischen Netzwerks Samidoun und ein Betätigungsverbot für die radikalislamische Hamas in Deutschland hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Angriff der Hamas auf Israel mit vielen Hundert Toten angekündigt. Das umzusetzen wäre vor allem Aufgabe von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Doch es tut sich nichts - jedenfalls nichts, was in der Öffentlichkeit wahrnehmbar wäre.

Nun wird die Kritik am Kanzler und vor allem an der Innenministerin lauter. Denn die immer wieder in Gewaltausschreitungen mündenden propalästinensischen Demonstrationen nehmen kein Ende. Die oppositionelle Union im Bundestag nimmt Faeser daher jetzt ins Visier. Und Abgeordnete des Koalitionspartners FDP reagieren irritiert. Schließlich hatten jüngst Ampel-Parteien und Union gemeinsam einen Antrag in den Bundestag eingebracht, mit dem Ziel, "ein Betätigungs- und gegebenenfalls ein Organisationsverbot für die Hamas und ihre Unterstützer und Vorfeld- und Tarnorganisationen" zu erreichen, wie es darin hieß. Auch von Polizeigewerkschaftern gibt es Kritik an der schleppenden Umsetzung.

"Der Bundeskanzler hat ein Verbot des palästinensischen Netzwerks Samidoun und ein Betätigungsverbot für die Hamas angekündigt, und nichts davon ist bislang umgesetzt. Es ist ein Skandal, dass jetzt weiter Gelder verschoben und Parallelstrukturen aufgebaut werden können", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), WELT. "Verbote wie diese hätten längst ausgesprochen und umgesetzt werden müssen, es zeigt sich erneut, dass Innenministerin Faeser die Gefahr des radikalen Islamismus nicht ernst genug nimmt."

Die FDP hadert ohnehin derzeit mit der Innenministerin, weil die gerade auf Mallorca im Kurzurlaub gesichtet wurde. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) nannte das angesichts der außenpolitischen Lage, den gewalttätigen Demonstrationen vor allem in Berlin und der heftigen Sturmflut an der Ostsee eine "Verhöhnung der Menschen". Faeser ist auch Katastrophenschutz-Ministerin.

Kommentar
Meinung Ministerin auf Mallorca: Lasst Nancy Faeser doch urlauben!

"Ich würde mir von Frau Faeser etwas mehr Führung und Präsenz wünschen", sagte die religionspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Sandra Bubendorfer-Licht. "Ich appelliere jedoch daran, die aktuellen Urlaubsbilder nicht zu dramatisieren. Ihr Haus ist trotzdem arbeitsfähig, und etwaige Verbote müssen nun in enger Abstimmung mit allen relevanten Akteuren wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz, den Landesämtern und den Landesinnenministerien vorangetrieben werden."

Die Liberale mahnt zu einem schnelleren Handeln gegen islamistische Gruppierungen in Deutschland. "Die Bundesregierung muss nun rechtssicher in Abstimmung mit den Ländern hier zügig vorgehen. Jeder verstrichene Tag bringt Zeit, um sich gegen ein Verbot zu rüsten", fordert Bubendorfer-Licht. Sie hält - wie die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor - Maßnahmen gegen Unterstützergruppen der Hamas für "überfällig".

"Wir müssen alles daran setzen, um zu verhindern, dass Deutschland ein Rückzugsraum für Terror-Organisationen und auf deutschen Straßen Terror gegen Jüdinnen und Juden glorifiziert wird", sagt die Innenpolitikerin und Islamwissenschaftlerin Kaddor. Doch sie benennt auch das Problem beim Vorgehen gegen islamistische Gruppen: "Damit diese Verbote allerdings auch ihre langfristige und erwünschte Wirkung wirklich entfalten können, ist es entscheidend, dass die Verbote juristisch wasserdicht sind."

Und die "wasserdicht" zu bekommen, ist angesichts der Rechtslage nicht so einfach, denn Grundlage dafür ist das Vereinsrecht. Denn als Vereine müssen solche Gruppierungen, die jetzt ins Visier der Behörden geraten, in aller Regel juristisch betrachtet werden. "Vereinsverbote sind kompliziert. Sie fußen auf einem in der Verfassung garantierten Grundrecht und sind vor den Verwaltungsgerichten anfechtbar", sagt Extremismusforscher Rudolf van Hüllen. "Entsprechende Verbote müssen sehr gut vorbereitet sein, weil man nie weiß, wie die Richter entscheiden. Wird ein Verbotsantrag kassiert, ist der Innenminister blamiert."

Union will Expertenkreis zu Islamismus wieder einberufen

Im Bundesinnenministerium (BMI) weist man die Kritik an Faesers Vorgehen zurück - nicht jeder Schritt könne in der aktuellen Situation öffentlich gemacht werden. "Das BMI und die beteiligten Sicherheitsbehörden bereiten diese Verbote intensiv vor und werden sie schnellstmöglich vollziehen. Zu Zeitpunkten und Einzelheiten operativer Maßnahmen kann selbstverständlich im Vorfeld keine Information erfolgen, um diese Maßnahmen nicht zu gefährden", sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Es bestehe "die Gefahr, dass potenziell Betroffene ihr Verhalten danach ausrichten und dadurch die Wirksamkeit operativer behördlicher Maßnahmen beeinträchtigt oder diese vereitelt werden könnten".

Analyse vom Oktober 2022
Bundestagsdebatte: Die Ampel stellt den "Expertenkreis Islamismus" ein - kann aber nicht erklären, warum

Die Forderung von CDU und CSU sowie von Islamexperten, angesichts der aufgeheizten Lage auf den Straßen bei propalästinensischen Demonstrationen den "Expertenkreis Politischer Islamismus" wieder einzuberufen, lehnt man im Innenministerium ab. "Dieser Expertenkreis muss, so schnell es geht, wieder eingesetzt werden, auch das ist überfällig, um auf die Expertise von Fachleuten zurückgreifen zu können", erklärt der CDU-Innenpolitiker Throm. "Handelt die Ministerin nicht, werden wir die Forderung erneut im Bundestag vorbringen."

Durch den Expertenrat sei es gelungen, ein Netzwerk aus führenden Experten zum Thema aufzubauen und einen umfassenden Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Bearbeitung zu gewinnen, heißt es im Ministerium. "Nun hat sich die Form der Beratung geändert; da die wissenschaftliche Perspektive hinreichend eingegrenzt ist, ist die Arbeit des Expertenkreises in dieser Form abgeschlossen."


Quelle: